Prof. Dr. habil. Lilia Waehlert ist die Gründungspräsidentin der Charlotte Fresenius Hochschule. Damit verantwortet sie den Aufbau des akademischen Bereichs der neu gegründeten Hochschule. Im Interview erzählt sie, was bis zum Start der ersten Studierenden noch zu tun ist, was das Studium an der Charlotte Fresenius Hochschule auszeichnet und wo die Entwicklung hingehen soll.
Für mich schließt sich ein Kreis. Ich war vor meiner Tätigkeit an der Hochschule Fresenius lange Jahre an der Universität beschäftigt und hatte eine typische Wissenschaftskarriere an einer staatlichen Universität vor Augen. Durch meinen Wechsel zur privaten Hochschule Fresenius hatte ich die Möglichkeit, die fachhochschulische Welt kennenzulernen. Ich habe in dieser Zeit sehr viel gelernt, viel Lehrerfahrung gewonnen, den hohen Studierendenfokus einer privaten Hochschule kennengelernt und durch meine mehrjährige Prodekanatstätigkeit viel Erfahrung im Aufbau und Management von akademischen Strukturen und Prozessen erworben.
Ich freue mich nun sehr, meine Erfahrungen aus beiden Welten, der universitären und fachhochschulischen, für den Aufbau der Charlotte Fresenius Hochschule einsetzen zu dürfen und empfinde diese Aufgabe insofern als ein absolutes Privileg, auf die ich mich unglaublich freue.
Ich sehe vor allem die Chancen, die wir mit dem Aufbau der Charlotte Fresenius Hochschule haben. In der Charlotte Fresenius Hochschule steckt so viel Potential! Wir haben den immensen Vorteil, dass wir nicht bei Null anfangen, sondern als Hochschule in Trägerschaft der Hochschule Fresenius gemeinnützige GmbH auf einer langjährigen Erfahrung im Hochschulwesen aufbauen können. Wir starten zunächst mit der Psychologie – hier ist sicher die Gewinnung geeigneter Professor:innen der erste wichtige Schritt. Überhaupt ist das Finden der richtigen Persönlichkeiten, die denselben „Spirit“ mit uns teilen, die mit Leidenschaft für ihre Arbeit stehen und mit ihren Ideen und Köpfen die Charlotte Fresenius Hochschule aufbauen helfen, der wichtigste Schritt. Eine Hochschule baut man nicht auf dem Papier auf, eine Hochschule lebt von den Menschen, die sie prägen.
Bei der Psychologie wird es aber nicht bleiben. Wir wollen die Charlotte Fresenius Hochschule thematisch weiter öffnen und in den nächsten Jahren ein relevanter privater universitärer Hochschulpartner werden – in der Forschung in wichtigen Themenfeldern, die die Gesellschaft bewegen und natürlich in der Qualifizierung unserer zukünftigen Studierenden. Herausforderungen werden wir dabei sicher haben, bei denen ich heute schon gespannt bin, wie wir sie meistern werden.
Die Charlotte Fresenius Hochschule wird nicht nur in Wiesbaden ihr Studienangebot anbieten, sondern auch ab Winteresemester am Studienstandort München. Wir verfolgen eine klare Multi-Location-Strategie, bei der wir das Know-how unserer Forscher:innen und Mitarbeitenden an den Standorten im Sinne einer vernetzten, standortübergreifenden Zusammenarbeit in Forschung und Lehre nutzstiftend einbringen wollen. Das fängt bei gemeinsamen Forschungsprojekten unser Forscher:innen an und hört beim standortübergreifenden Lehreinsatz oder der standortübergreifenden Betreuung von beispielsweise individuellen Projekt- oder Abschlussarbeiten unserer Studierenden auf.
So sollen unsere Studierenden von einem standortübergreifenden Netzwerk unser Forscher:innen und Lehrenden profitieren, übrigens auch von den jeweiligen regionalen Netzwerken, die unsere Mitarbeitenden an den Standorten haben, und haben mehr Möglichkeiten, an der spezifischer Expertise der Forscher:innen und Lehrenden unserer Standorte zu partizipieren. Das gilt natürlich auch für die Mitarbeitenden. Wissenschaft lebt vom Diskurs und Austausch.
Angesichts der komplexen Herausforderungen unserer Zeit ist dies umso mehr geboten. Wir wollen aus diesem Grunde unseren Multi-Location-Ansatz gezielt einsetzen, um den wissenschaftlichen Austausch für unsere Studierenden und Mitarbeitenden zu fördern und zu unterstützen. Das zeichnet die Charlotte Fresenius Hochschule im Besonderen aus. Für mich wird die Frage, wie gut uns dies gelingt, deshalb ein wichtiger Gradmesser beim Aufbau der Charlotte Fresenius Hochschule sein.
Wir sind aktuell dabei, das akademische wie administrative Personal an Bord zu nehmen. Wichtig ist es für eine Hochschule in Gründung aber auch, externe Partner:innen, zum Beispiel im Rahmen wissenschaftlicher Beiräte oder Kooperationspartner aus der Praxis, für uns zu gewinnen, die uns bei der Aufbauarbeit unterstützen und deren Expertise von großem Wert für die weiteren Entwicklungs- und Umsetzungsziele der Charlotte Fresenius Hochschule sind. Daneben werden gerade alle notwendigen Prozesse für den Hochschulbetrieb angelegt. Das reicht von der Erstellung von Studienverträgen bis hin zur Integration der Charlotte Fresenius Hochschule in unsere IT-Systeme und Lehr-/Lernplattformen.
Die Charlotte Fresenius Hochschule ist ein Ort, an dem Lehrende und Lernende miteinander im steten Austausch sind und sich eine Lehr-Lerngemeinschaft herausbildet, die die Fähigkeit zur konstruktiven Weiterentwicklung hat. Das erfordert von jedem das Einbringen von Engagement, Leistungsbereitschaft und vor allem Persönlichkeit.
Unsere Aufgabe ist es, klare Anforderungen an erwartbare Leistungen zu definieren – gegenüber den Studierenden, aber auch gegenüber den Lehrenden. Dies schlägt sich dann zum Beispiel in den Prüfungskriterien nieder. In der Gesundheitsökonomie gibt es den Begriff des „uno-actu-Prinzips“, was bedeutet, dass die Leistungserbringung und der Konsum von Leistung zusammenfallen und voneinander abhängen. Ich finde dieses Prinzip auch für Bildungsangebote durchaus zutreffend. Dieses Prinzip gilt aber eben nicht nur für die Studierenden, diese Standards gelten in gleicher Weise für die Mitarbeitenden der Hochschule!
„Studieren ist keine Bringschuld. Studieren bedeutet, sich in den kritischen Diskurs zu begeben, sich auseinanderzusetzen, sich selbst als Teil der Leistung zu verstehen.“
Prof. Dr. Lilia Waehlert
Gründungspräsidentin der Charlotte Fresenius Hochschule
In unserem didaktischen Konzept arbeiten wir mit verschiedenen Bausteinen, die individuelles Lernen fördern sollen. In den Vorlesungen geht es zum Beispiel primär darum, Denkräume aufzuzeigen und diese durch digitale Elemente wie Podcasts, Videos etc. anzureichen. In den Seminaren und Übungen arbeiten wir stärker diskursiv, d. h. hier stehen Diskussionen im Vordergrund, bei der wir auch Gastredner:innen oder Expert:innen aus Wissenschaft und Praxis mit einbinden. Formate wie Round Tables, Foren etc. sind Beispiele hierfür. Erfahrungsräume bieten wir im Rahmen von Labor- und Praxisarbeiten – denken Sie beispielsweise an experimentelle Projekte im Bereich der klinischen Forschung in der Psychologie.
Unsere Potentials wollen wir gezielt fördern – in ihren Ideen und Anregungen. So stellen wir zum Beispiel für Gründer:innen ein ganzheitliches Gründerförderungsprogramm bereit. Es ist aber ebenso möglich, dass besonders geeignete Studierende in Forschungsarbeiten unserer Professor:innen integriert werden und vielleicht sogar zukünftige Wissenschaftliche Mitarbeitende werden und eine Wissenschaftskarriere starten.
„Das gelingt nur mit Menschen, die mit Leidenschaft dabei sind und ihre Leidenschaft an junge Menschen weitergeben möchten. Unsere Wissenschaftler:innen haben also die wunderbare Aufgabe, die Schönheit ihrer Forschung, den Spaß dabei „rüberzubringen“, und hier vielleicht den Funken erzeugen, den es braucht, um Zukunft zu gestalten und Verantwortung zu übernehmen.”
Prof. Dr. Lilia Waehlert
Gründungspräsidentin der Charlotte Fresenius Hochschule
Wir leben in einer Gesellschaft, die sich vielen großen Herausforderungen gegenübergestellt sieht. Fragen zu Nachhaltigkeit, Gesundheit und Technologie und deren Auswirkungen auf den Menschen und die Gesellschaft sind drängender denn je.
Wie wollen wir auch für nachfolgende Generationen eine lebenswerte Zukunft erhalten? Welche Auswirkungen auf Gesundheit, Umwelt und soziale Verhältnisse müssen wir heute erforschen, um in den nächsten zehn Jahren innovative Lösungen und Konzepte implementieren zu können?
Dies sind keine Themen, die Einzelne lösen können. Es sind Themen, die globaler und komplexer und überindividueller Natur sind. Hier sehe ich die Hochschulen als wichtigen Innovator und Ort der wissenschaftsbasierten, argumentativen Auseinandersetzung. Nur, wenn wir Menschen haben, die bereit sind, Positionen anderer zu verstehen und nachzuvollziehen, die bereit sind, sich im besten Sinne auseinanderzusetzen, sehe ich eine Chance, diese wichtigen Fragen zu lösen. Wir müssen zurück zu einer vernunftbasierten, argumentativen Verständigung, in der es nicht um Einzelinteressen, sondern einen ganzheitlichen Blick geht. Aus diesem Grunde betrachte ich es als eine zentrale Zukunftskompetenz unserer zukünftigen Absolvent:innen, dialogfähig zu sein, den Austausch von Argumenten zu beherrschen und Diskurse aushalten und führen zu können.
Mit zweiter Fakultät und fest im Sattel in der universitären Hochschullandschaft!
ist seit 2012 in unterschiedlichen Funktionen an der Hochschule Fresenius und Carl Remigius Medical School tätig. Von 2018 bis 2021 leitete sie als Prodekanin des Fachbereichs Gesundheit & Soziales den Standort der Hochschule Fresenius in Frankfurt am Main und seit 2019 als Prodekanin der Fachbereiche Wirtschaft & Medien, Gesundheit & Soziales und Design den Standort in Wiesbaden. Seit diesem Jahr leitet sie als Gründungspräsidentin die Charlotte Fresenius Hochschule.
Als Professorin für Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Führung & Management, Organisation und Unternehmensethik sowie Gesundheitsökonomie ist die interdisziplinäre Denkhaltung wesentliches Kennzeichen ihrer bisherigen Laufbahn. Im Fokus des Werdegangs steht für sie die fundierte Aus- und Weiterbildung von Nachwuchskräften für die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung in ihren jeweiligen Disziplinen.